Naturheilkunde


Naturheilkunde historisch und allgemein betrachtet

Sicherlich ist die Naturheilkunde so alt wie die Menschheit selber.

Vor Urzeiten konnten bereits unsere frühen Vorfahren erforschen, wie z .B. wilde Tiere bei Verletzungen instinktiv bestimmte Pflanzenblätter fraßen oder auch Ihr Verhalten änderten. Durch intensives Beobachten, Suchen und Versuchen, sowie die Weitergabe all dieser Erkenntnisse über unzählige Generationen hinweg hat sich die noch heute gültige Erfahrungsmedizin entwickelt.

Dabei geht es nicht allein um das Wissen über heilkräftige Pflanzen, das Behandeln verletzter Gliedmaßen und Organe oder Befreien von seelischem Leid, sondern auch um Entdeckergeist und neue Methoden. Denn immer wieder finden wir in der Geschichte Menschen, die aufgrund Ihrer Sensitiviät und Begabung Heilverfahren erkennen und entwickeln konnten.

Prähistorische Medizin

Es liegt auf der Hand, dass unsere Vorfahren in der Alt- und Jungsteinzeit an anderen Krankheiten litten als wir heute. In einer Gesellschaft von Jägern und Sammlern kamen Infektionen und Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen wurden – wie Tollwut oder Toxoplasmose – sicher häufig vor. Es gibt bisher keine Beweise, dass sie an Krankheiten litten, die uns unbekannt sind. Aber einige Krankheiten, die heute als ungefährlich betrachtet werden dürfen, können damals verheerende Ausmaße gehabt haben, wie z.B. ein entzündeter Backenzahn.

Als größere Menschengruppen ca. 11.000 v. Chr. sesshaft wurden, stieg auch die Lebenserwartung sprunghaft an. Gleichzeitig führten aber Überbevölkerung, die Nähe zu den Haustieren oder schlechte bis gar keine Abfallentsorgung zur Verbreitung von Krankheiten und Epidemien.

Heilung war in der damaligen Zeit oft eng mit dem Glauben an Magie verknüpft.
Schamanen und Medizinmänner vertrieben die bösen Geister, die die Krankheit verursachten. Aber nicht ausschließlich: Es gibt Skelettfunde, bei denen gebrochene Knochen verheilt sind. Man wertet dies als Hinweis auf eine zeitweise Versorgung durch andere Stammesangehörige, denn die Art der Verheilung dieser Brüche lässt auf eine Schienung schließen. Aus der mittleren Steinzeit stammt das Skelett eines ca. 60-jährigen Mannes mit schwersten arthritischen Veränderungen. Dieser Mann muss ebenfalls von anderen Leuten versorgt worden sein.

Äußerst umfangreiche Untersuchungen liegen über den Leichenfund „Ötzi“ vor (ca. 3.000 v. Chr.). Hier konnten einige chronische Erkrankungen nachgewiesen werden. Von besonderem Interesse sind die auffälligen Tätowierungen des Mannes: Zu großen Teilen entsprechen diese nämlich den Akupunkturpunkten, die heute zur Heilung der Erkrankungen behandelt würden!

Verständlich, dass aus diesen Zeiten keine Dokumentationen über Heilverfahren vorliegen. Wenn aber schon Schimpansenstämme gezielt bestimmte Pflanzen verwenden, um etwa Bauchweh zu behandeln, darf man bei unseren Vorfahren von einer recht ausgeklügelten Naturheilkunde ausgehen. Sie hatten viel Zeit für Beobachtungen und Experimente.

Die fehlende Überlieferung bedeutet nicht, dass es damals keine Heilkunde gegeben hat! Betrachtet man beispielsweise die heute noch auf Steinzeitniveau lebenden Naturvölker genauer, so offenbart sich uns eine umfangreiche Kenntnis von Kräutern und Drogen. Auch die Azteken und Inkas aus Südamerika kannten Heilpflanzen wie: Cocablätter, Chinarinde, Ipecacuanah, Condurango, Lobelia, Sarsaparilla und Podophyllum.

Orientalische Medizin (ca. 1000 v. Ch.)

Beginnend vor bereits ca. 3000 Jahren, liegen hier wohl auch die Wurzeln unserer heutigen Medizin. In diesem Zusammenhang muss auch die asiatische Medizin erwähnt werden, entwickelt aus den Hochkulturen der Assyrer, Babylonier, Perser, Inder, Malaien, Chinesen, Japaner und Ägypter.

Die altindische Medizin, ca 3000 – 1000 v. Chr. beruht auf Ayurveda, die bereits in den ersten Schriften der indischen Kultur, den Veden, ihren Platz einnimmt. Sie ist die älteste Lehre überhaupt bezüglich Gesundheit, Krankheit und Heilung. Da den alten Indern die Einheit von Körper, Geist und Seele bewusst war, konnte ein komplexes Heilverfahren entwickelt werden. Basis sind die 5 Elemente und die drei Lebenskräfte. Hiernach wir die Welt und alles Lebendige von den 5 Elemente (Wandlungsphasen) gestaltet und druchdrungen: Äther, Wind, Feuer, Wasser und Erde.

Im menschlichen Körper zeigen sich diese 5 Elemente in den Lebenskräften, Doshas genannt. Hierbei handelt es sich um die Konstitutionstypologie nach den drei Prinzipien Vata, Pitta und Kapha mit ihren Charakteristika:

Vata-Typ: Leichter Körperbau, zartgliedrige Gelenke, trockene Haut, Unregelmäßigkeit in Verdauung und Appetit, aktiv, ruhelos, rasche Auffassungsgabe, leichter und kurzer Schlaf, Neigung zur Ängstlichkeit, Nervosität und Vergesslichkeit.

Pitta-Typ: Mittlere Statur, feine Haut, weiches Haar, guter Appetit, rasch arbeitende Verdauung, Intellekt klar mit Führungsqualitäten, leicht reizbar, schnell ungeduldig, Neigung zur Eifersucht und Agressivität.

Kapha-Typ: Rundliche Erscheinung mit kräftigem Haar und zur Fettigkeit neigender Haut, Verdauung und gesamter Stoffwechsel eher träge, gesunder Schlaf, kann gut entspannen, gutes Durchhalte- und Erinnerungsvermögen, tolerant, neigt zur Trägheit und Bedächtigkeit.

Die reinen Typen kommen allerdings sehr selten vor. Ein ayurvedischer Arzt verfügt über Kenntnisse, dem jeweiligen Patienten die entsprechenden Anteile genauer zuzuordnen. Nun gilt es, die drei Prinzipien ins Gleichgewicht zu bringen, die Konstitution zu stabilisieren und die Entgiftungsprozesse zu stärken. Der eigentliche Heilungsansatz geht über die Aktivierung und Stabilisierung der Selbstheilungskräfte.

Im Gegensatz zu vielen negativen Darstellungen stand auch die altägyptische Medizin auf einem hohen Niveau. Hieraus entwickelt sich wieder die griechische Medizin. Im therapeutischen Papyrus von Theben ca. 1552 v. Chr., sind bereits 700 Heilmittel aufgeführt, wie: Opium, Scilla, Hyoscyamus, Colchicum, Calmus, Oleum ricini, Kupfer, Quecksilber. Und nicht zuletzt sei das Geheimnis der Mumifizierung erwähnt.

Zudem galten Hygiene, Ernährung und Reinigung des Körpers durch Ausleitungsverfahren bereits als Säulen der Gesundheit.

Die griechische Medizin (ab ca. 700 v. Chr.)

Lange vor Hippokrates gab es eine wissenschaftlich und praktisch hoch entwickelte medizinische Tradition. Deren Wurzeln lagen in der altägyptischen Medizin.
In Griechenland waren die Anfänge der wissenschaftlichen Medizin bereits 700 v. Chr. durch Thales v. Milet, Pythagoras, Heraklit, Empedokles und Demokrit vertreten.
Sie alle stehen für eine philosophisch – mathematische, teils naturphilosophische Medizin.

Hippokrates (460 – 377 v. Chr.) gilt als eigentlicher Begründer der wissenschaftlichen Medizin. Mit seinem Stammbaum geht er auf Asklepios zurück, den griechischen Gott der Heilkunde. Das Symbol des Aeskulap-Stabes hat noch heute Bestand.

Bereits als Kind soll er in den Ärzteberuf eingeführt worden sein, und auf späteren Reisen konnte er seine Heilkunst weiter entwickeln. Nach seiner Rückkehr verfasste er den „Corpus hippocraticum“ unter der Mitarbeit seiner Schüler. Eine Schriftensammlung über 60 Seiten.

Hier findet man die von Hippokrates entwickelte Konstitutionslehre, um den Patienten in seiner Individualität zu erfassen. Auch die Viersäfte-Lehre, oder Humoralpathologie, geht auf die hippokratische Schule zurück. Der zufolge wurde Gesundheit durch das harmonische Fließgleichgewicht der vier bekannten Säfte erreicht. Jeder Saft besitzt demnach zwei für ihn charakteristische Qualitäten:

Heiß Kalt
Trocken Gelbe Galle Schwarze Galle
Nass Blut Schleim

Auch weitere Analogien wurden als erwiesen angesehen, z.B. zu den 4 Elementen: Feuer, Wasser, Luft und Erde oder zu den 4 großen Organen. Selbst die 4 Jahreszeiten, die 4 Temperamentenlehre oder die vier großen Lebensabschnitte wurden mit einbezogen.

Im weiteren Verlauf entwickelte sich die arabische Medizin. Sie beruhte zum großen Teil auf Galens (2.Jhdt n. Chr.) Lehre der vier Temperamente. Schon zu dieser Zeit durften arabische Ärzte ihren Beruf erst nach Ablegen des Hippokratischen Eides ausüben.

Die Ärzte Arabiens kopierten nicht nur das Wissen der Griechen, sondern entwickelten es auch weiter, zum Beispiel im Bereich der Augenheilkunde. Avicenna beschrieb zahlreiche Krankeitsbilder wie Masern und Pocken. Die Werke der arabischen Ärzte galten auch im gesamten westlichen Mittelalter neben denen von Galenos, Celsus und Hippokrates als Standardwerke der Medizin.

Galen hat mit viel rhetorischer Begabung das gesamte medizinische Wissen seiner Zeit zusammengefasst. Seine Überzeugungen nahmen einen außerordentlichen Einfluss bis ins 19. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Wie Aristoteles war er überzeugt, dass die Natur vollkommen sei und nichts umsonst mache. Dabei vertrat er eine monotheistische Weltsicht.

Die von ihm vertretenen Theorien bildeten die Grundlage zur Medizin der Hildegard von Bingen, der Physiognomik eines Johann Kaspar Lavaters und der Ernährungslehre. Im Übrigen bezog sich auch Sebastian Kneipp bei seiner Wasserkur auf die Erkenntnisse Galens, nach denen überflüssige Säfte aus dem Körper abgeleitet werden müssten.

Blut Luft Sanguiniker Rot und süß Heiter Kindheit
Gelbe Galle Feuer Choleriker Gelb und bitter Kühn Jugend
Dunkle Galle Erde Melancholiker Schwarz und scharf Trotzig Mannesalter
Schleim Wasser Phlegmatiker Weiß und salzig Träge Greisenalter

Interessanterweise stand aber der Arzt und Naturphilosoph Theophrastus Bombastus von Hohenheim ( 1493 – 1541), eher bekannt als Paracelus, dieser Humoralpathologie äußerst kritisch gegenüber. Zu oft musste er mit ansehen, wie diese durch die Ärzteschaft missbräuchlich eingesetzt wurden. Dies zeigte sich in übertriebenen Aderlässen, Brechkuren oder gar chirurgischen Maßnahmen.

Paracelsus, der die Heilkräfte der Natur in den Vordergrund stellte, betonte, dass in der Natur für jede Krankheit ein Heilmittel gefunden werden könne. Er unterschied bereits zwischen einer toxischen Wirkung und einer Arzneimittelwirkung und prägte die Aussage: Die Dosis einer Substanz entscheidet über die Wirksamkeit. D.h. es gibt keine giftigen Substanzen: die Menge entscheidet.